Sind Richter Ratten? Niemals. Auch nicht im Freistaat Sachsen.

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Die Staatsorgane in Sachsen „versagen“ nicht, wenn zB Polizisten dort ihre Mannschaftsbusse mit Deutschlandfahnen behängen und Pegida-Demonstranten die Hände schütteln. Insoweit widerspreche ich Dieter Jaenicke, künstlerischer Leiter von Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste in Dresden, der sich auf dlf am 25.12.2015 entsprechend äußerte. Daß ich mit seinen Aussagen im übrigen und erst recht seinem mutigen Engagement gegen den Dresdner Pöbel lebhaft sympathisiere, muß ich nicht weiter betonen. Gleichwohl: „Versagen“, gewissermaßen Staatsorganversagen, ist das nicht.

Es ist Kumpanei, es ist Kameraderie. Die insbesondere in Sachsen da und dort kriminelle Züge annimmt, etwa in dem Strafverfahren gegen den Jenenser Pfarrer Lothar König, in dessen Verlauf die Polizei, die sich per Zusammentreten und -knüppeln von Gegnern eines Nazi-Aufmarsches hervorgetan hatte, mit manipuliertem Videomaterial aufwartete. Das fiel sogar dem Gericht auf, was in Dresden weit mehr heißen will als anderswo, denn in Dresden vor dem Amtsgericht kann bspw. ein sog. Gegendemonstrant, nicht vorbestraft, wg. angeblichen Landfriedensbruchs und Widerstands gegen die Staatsgewalt schon mal 22 Monate ohne Bewährung einfangen, weil, so ein Richter am dortigen Amtsgericht, die Verteidigung der Rechtsordnung eine Strafaussetzung zur Bewährung verbiete. Ob das Urteil rechtskräftig wurde, ist mir derzeit nicht bekannt. Nicht mit Gewißheit auszuschließen scheint mir, daß ihm eine gewisse richterliche Niedertracht, die sich im Dienste höherer Güter wähnt, zugrunde liegt, ein gewisses genießerisches Behagen, niedere Beweggründe mit einem Wort, wie sie die Unabhängigkeit der Justiz vor allem bei denen auslöst, deren fachliches und persönliches Format den Freiheiten wie der Verantwortung, die daraus folgen, nicht gewachsen ist.

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jurobleu Kopie 720 sw

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Die Peristaltik der sächsischen Justiz gebiert indes nicht nur Urteile, denn auch ein Richter hat mal frei. Dann bleibt ihm Zeit für einen Leserbrief. So einen druckte vor einiger Zeit die FAZ, der ich dafür dankbar bin. Die Zuschrift begann mit den Worten: „Ich bin Richter im Freistaat Sachsen.“ Abgesehen von einem leidenschaftslosen „Na und?“, mit dem man dieses Entrée abtun könnte, fragt sich mancher vielleicht auch: Soll man nun gratulieren? Falls ja: wem denn? Dem Richter? Etwa mit den Worten: „Das überrascht nun wirklich. Ausgerechnet Sie! Wie konnte das passieren? Sind Sie parteipolitisch engagiert?“ Oder soll man den Freistaat Sachsen beglückwünschen zu einem Zugewinn an Sprachvermögen und Intelligenz, und sei er noch so klein? Wäre die Zuschrift ein Indiz für beide Befähigungen, käme das in Betracht. Allein die Befähigung zum Richteramt indiziert freilich weder das eine noch das andere, und die Worte des Vorsitzenden Richters tun es schon gar nicht, im Gegenteil. Denn er fährt fort: Er habe sich den sog. Pegida-Demonstrationen angeschlossen und sehe sich nun dem Vorwurf seitens Politik und Publizistik ausgesetzt, damit einem Rattenfänger zu folgen. Und daher, so die Konklusion des pikierten Dresdners, frage er sich, ob er sich folglich als Ratte bezeichnen lassen müsse.

Dem Manne kann – oder sagen wir besser: könnte – geholfen werden. Denn dem Rattenfänger von Hameln folgten zunächst Ratten, dann erst die Kinder. Allein letzteres machte ihn zur sprichwörtlichen Figur. Weshalb der Richter im Freistaat Sachsen, letzterer entwickelt sich übrigens trotz der hübschen Städte und Landschaften zunehmend zum häßlichsten unter den deutschen Bundesländern, beruhigt sein kann. Niemand hält ihn für eine Ratte oder bezeichnet ihn als solche, dies nicht nur aus Gründen des ebenfalls mit aller Wahrscheinlichkeit zu vermutenden kategorischen Unterschiedes in der äußeren Erscheinung. Ein Erwachsener, der einem Rattenfänger nachläuft, gleicht darin nun mal den Kindern von Hameln (wie es mit denen endete, dies ganz am Rande, weiß man). Weshalb der Verfasser des gekeuchten J´accuse auch keinen Anlaß hat, sich greinend im Befinden des unschuldig Verfolgten auszubreiten wie der Säugling in der warmen Windel, denn niemand, auch ich nicht, hat ihn mit irgendwelchem Getier gleichgesetzt, das die Kanalisation und ihre Schächte bewohnt. Verhält ein erwachsener Mann sich allerdings wie ein Kind, darf man ihn als infantile, als kindische Type bezeichnen. Die man ignorieren könnte, wäre sie nicht, s. das einfältig-prätentiöse Billett im Leserspaltenformat, „Richter im Freistaat Sachsen“ – den schon der Versuch der Analogiebildung per Subsumtion einfacher Sachverhalte unter einfache Texte überfordert.

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