Semantik des Terrors

10. April 2018

Angeb­lich ist etwas ande­res als mut­maß­lich. Lt dlf und FAZ, beide vom 08.04.2018, ist ein “mut­maß­li­cher” Gift­gas­an­griff in Syrien erfolgt, und zwar in der Stadt Duma. Ein Hub­schrau­ber habe eine “Faß­bombe” abge­wor­fen, und “oppo­si­ti­ons­nahe Akti­vi­sten” wüß­ten von ster­ben­den Kin­dern zu berich­ten.

Dazu zwei­er­lei: nicht daß ich Syri­ens Assad und die sei­nen für Ver­tre­ter der neuen Emp­find­sam­keit hielte. Das sind sie gewiß nicht.

Sodann: rein mili­tä­ri­sche Ratio­na­li­tät, und sei sie fern von allen auch nur ent­fernt huma­ni­tä­ren Erwä­gun­gen, dürfte vor dem Ein­satz von Gift­gas im Rah­men mili­tä­ri­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen in urba­nem Ter­rain war­nen. Der Grund ist schlicht: weil das nach hin­ten los­ge­hen könnte. Robert Fisk, bri­ti­scher Jour­na­list und als Bericht­erstat­ter erfah­ren auf dem Schlacht­fel­dern und Schä­del­stät­ten des Nahen und Mitt­le­ren Osten seit Jahr­zehn­ten, hatte das schon anläß­lich des angeb­lich von syri­schen Regie­rungs­trup­pen ver­üb­ten Gift­gas­an­griffs in Ghouta nahe Damas­kus im Som­mer 2013 dar­ge­legt. In einem Arti­kel vom 21. Sep­tem­ber 2013 in The Inde­pen­dent stellt er zudem die nahe­lie­gende Frage, wes­halb Assads Regime, sollte es tat­säch­lich den Ein­satz von Gift­gas erwo­gen haben, damit bis zur Ankunft von UN-Waf­fen­in­spek­to­ren im August 2013 gewar­tet habe. Letz­tere fan­den übri­gens eben­falls kei­nen Beleg für einen Gebrauch von Sarin durch Regie­rungs­trup­pen.

Dazu kam Sey­mour M. Hersh mit sei­nem Arti­kel “Whose Sarin?”, der mit wohl­re­cher­chier­ten und plau­si­blen Dar­le­gun­gen eine Urhe­ber­schaft Assads in Zwei­fel zog. Dabei bezog er sich auch auf ver­läß­li­che Quel­len inner­halb der US-Admi­ni­stra­tion, die ihrer Regie­rung (damals unter Obama) vor­war­fen, sie habe die geheim­dienst­li­chen Erkennt­nisse fri­siert (“deli­be­rate mani­pu­la­tion of intel­li­gence”). Zur Frage, wer denn die Frei­heits­kämp­fer so seien, wer sie mit Geld und Waf­fen rüste und wie die Lie­fer­wege ver­lie­fen, emp­fiehlt sich die Lek­türe von Sey­mour M. Hershs “The Red Line and the Rat Line, die auch ernst­zu­neh­mende Hin­weise auf die Pro­du­zen­ten und Anwen­der von Gift­gas in Syrien gibt. Hier mag das Stich­wort Al-Nusra-Front genü­gen, die sich ame­ri­ka­ni­schen Geheim­dienst­quel­len zufolge die Zuta­ten zur Pro­duk­tion von Sarin und die tech­ni­schen Mit­tel zu sei­ner Her­stel­lung ver­schafft und sich nicht nur darin akti­ver Hilfe sei­tens der Erdog­an­schen Tür­kei erfreut habe. Vom sel­ben Autor stammt der Arti­kel Mili­tary to Mili­tary, der inter­es­san­tes zum Ver­hält­nis ame­ri­ka­ni­scher und rus­si­scher Mili­tärs zuein­an­der schil­dert. Jene hal­ten, so Hersh, ein­an­der auf dem Lau­fen­den und sind den Tat­sa­chen vor Ort, dh in Syrien, natur­ge­mäß näher. Sie dürf­ten sich keine Illu­sio­nen über den Wahr­heits­ge­halt der Ver­laut­ba­run­gen machen, die von poli­ti­scher Bühne erge­hen und die der gehor­sa­mere Teil der Presse wie­der­käut. Alle drei Arti­kel sind ver­öf­fent­licht und ohne wei­te­res zugäng­lich in der Lon­don Review of Books.

Dies alles mag man im Sinn behal­ten, wenn immer wie­der und mit größ­ter Gewiß­heit ver­kün­det wird, Assad setze Gift­gas gegen die eigene Bevöl­ke­rung ein. Noch­mal: die Bru­ta­li­tät syri­scher Herr­schafts­si­che­rung wird auch von Jour­na­li­sten wie Robert Fisk und ande­ren nicht in Zwei­fel gezo­gen. Fol­ter und Mas­sa­ker gehö­ren ebenso wie die Bom­bar­die­rung zivi­ler Ziele zum Reper­toire. Auf­fal­lend, dabei nicht son­der­lich über­ra­schend, blei­ben Ein­sei­tig­keit und Ten­denz der Bericht­erstat­tung. Die offen­siv gepflo­gene Ahnungs­lo­sig­keit, die Miß­ach­tung ele­men­ta­rer jour­na­li­sti­scher Maß­stäbe in puncto Recher­che und Dar­le­gung nebst einer Wort­wahl, die aus heu­len­den Sadi­sten und – buch­stäb­lich – Hals­ab­schnei­dern “oppo­si­ti­ons­nahe Akti­vi­sten” macht, kenn­zeich­nen einen beacht­li­chen Teil der aktu­el­len Pres­se­ver­laut­ba­run­gen. Deren Urhe­ber müs­sen sich vor­hal­ten las­sen, daß sie, eifern­den Ele­ven oder auch folg­sa­men Kötern gleich, dem Ter­ror Bei­stand lei­sten.

 

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