Fischers Feder, Zastrows Zorn

Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am BGH und Teilzeitkolumnist, hat vorgesorgt: nach seiner Äußerung über Beate Zschäpe, sie ist angeklagt wegen Mordes im sog. NSU-Prozess in München, wird er unter keinen Umständen dem Strafsenat beim BGH vorsitzen, der über die Revision der Angeklagten und/oder der Staatsanwaltschaft zu entscheiden haben wird. Dem steht seine nicht zu übersehende Befangenheit entgegen, zumal deren bloßer Anschein genügt. Vorgesorgt hat er mit einem Satz, der in der Tat erstaunt, nicht wegen einer eventuellen Nähe zur sichtbaren Wahrheit, sondern wegen einer angesichts der sonstigen, gelegentlich sogar brillianten Äußerungen aus Fischers Feder überraschenden, einer bierzelthaften Vulgarität. Vulgo: so etwas sagt man nicht. Und wenn der Anblick, den Frau Zschäpe bietet, zehnmal von Burka-Pflicht träumen und im Gedenken an ihre Taten die Bindungen des Rechtsstaates nur mit einem ergebenen Seufzer akzeptieren läßt.
Weil nun aber der Herr F. der Frau Z. ein „teigiges Gesicht“ nachsagt (!), hat er dem Herrn Zastrow den Anlaß geliefert für einen Artikel, der die vom BGH zum Thema der wechselseitig ergangenen Beleidigungen entwickelte Dogmatik (sog. Klotz-und-Keil-Theorie) plastisch illustrieren könnte, hätte der Herr Fischer den Herrn Zastrow beleidigt und nicht die Frau Zschäpe. Gleichwohl: nach kurzer und hektischer Suche im wie auch immer bemessenen Inventar der stilistischen und metaphorischen Eingebungen wurde Herr Zastrow fündig und sagte Herrn Fischer „dicke Silikonbrüste“ nach.

Ich halt mich da raus. Herrn Fischers Leiblichkeit mag inspizieren, wer will. Mag sein, daß dabei eine dezente oder auch grob indezente Gynäkomastie zutage tritt, vulgo: Herrentitten. Mir doch egal.

Daß der Artikel Fischers, aus dem Zastrow dessen weiß Gott entbehrliche Aushustung zitiert, ebenso informiert wie polemisch zu Fragen der Presse und dem mangelhaften oder vielleicht auch nur vorübergehend stillgelegten Sachverstand vieler ihrer Vertreter in Sachen Strafrecht und Strafjustiz Stellung nimmt – Fehlanzeige. Dem Zastrow ists vor lauter Zorn entgangen. Daß Talkshow-Veranstalter und all ihre möglichen wie unmöglichen Gäste entschieden drauflosmeinen und reden und ihre Gewißheiten gegen selbst einfachere Überlegungen abschirmen, von offenkundigen Tatsachen nicht zu reden: das stellt Fischer in seinem von Zastrow bejammerten Artikel heraus, und das macht ihn lesenswert.
Der Fischer, fand aber der Zastrow, braucht mal was auf die Löffel, seien sie aus Silikon oder woraus auch immer. Dabei hätte er es sich leichter machen und sich knapper fassen können: hält der Fischer der Zschäpe Unfertigkeiten ihrer Erscheinung vor, erinnert er an den Ochsen, der den Esel Hornvieh schimpft.

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5 Antworten zu Fischers Feder, Zastrows Zorn

  1. vmi sagt:

    Nachtrag: Aquadraht erwähnt zutreffend (und gar nicht mal unmaßgeblich) diverse Formen der Vermummung, der Unkenntlichmachung. Würden sie allesamt verboten, wärs vorbei zB mit dem Karneval in Köln (was Heinrich Böll evtl. begrüßt hätte; er fand die betrunkene Großveranstaltung – wörtlich – „zum Kotzen, zum Kotzen, zum Kotzen“). Anfügen möchte ich: jeder Gang durch eine beliebige deutsche Großstadt (von Schwimmbädern, Betriebsausflügen und Oktoberfesten nicht zu reden) offenbart Anblicke, die mich von einer Burkapflicht (incl. Erzwingungshaft) träumen lassen. Ich darf an die kleine Anekdote von der Verlobung erinnern, aus der nichts wurde, nachdem sich herausgestellt hatte, daß der Bewerber am fraglichen Karnevalsabend nicht maskiert gewesen war.

    • Max Schott sagt:

      Lieber vmi + aquadraht, ich sehe einen substanziellen Unterschied zwischen der Burka und anderen Arten der Verhüllung und Bedeckung.

      Die Burka ist weder eine zweckgebundene Berufs- oder Schutzkleidung noch hat sie etwas mit anlassbezogener Folklore (Karneval, Halloween) zu tun. Sie ist auch keine modische Extravaganz und kein Ästhetikum. Sondern eine religiöse Vorschrift, die nicht mit einem Einverständnis, einer Wahlfreiheit einher geht, anders als sonstige Uniformen und (religiöse) Trachten, die mir einfallen. Die Burka ist Teil eines Kodex‘, der von seinen Anhängern nicht zur Disposition gestellt wird. Frauen haben sich zu fügen.

      Dies dauerhaft zu tolerieren, würde bedeuten – jenseits von Sicherheitsbedenken, die ein separater Aspekt sind –, die Burka als öffentliches Statement einer solchen Weltsicht zu dulden. Also die verstofflichte Intoleranz zu tolerieren.

  2. Max Schott sagt:

    Lieber Herr Vorwerk, was ist eigentlich aus juristischer Sicht zum Burka-Streit zu sagen? Ist das Problem mit den gegebenen Regeln und Gesetzen zu fassen?

    • vmi sagt:

      Lieber Herr Schott, danke für Ihre Anfrage. Für den Moment nur soviel: die sog. Vollverschleierung ist mir zuwider. Das veranlaßt mich aber nicht, den Gesetzgeber herbeizurufen. In der Öffentlichkeit (sog. Straßenbild) wird man den ohnehin nicht eben häufigen Anblick zu ertragen haben. Behörden wie auch private Personen, Unternehmen und Körperschaften haben das Recht, vollverschleierten Personen den Zutritt zu ihren Räumlichkeiten zu verbieten. Vollverschleierung am Steuer dürfte ohne weiteres zu verbieten sein,dto. bei Erscheinen vor Gericht, sei es als Zeugin oder sonstwie Beteiligte. Zur Klarstellung mag der Gesetzgeber ein Wort sprechen, das vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden mag. Bewerberinnen für den öffentlichen Dienst werden sich entscheiden müssen: Vollverschleierung oder erfolglose Bewerbung. A propos: ein Kopftuchverbot, wie es manchen Zeitgenossen vorschwebt, deren Meinungsstand ihrer Intelligenz weit vorauseilt, hielte ich für evident verfassungswidrig und würde es auch unabhängig davon ablehnen.

    • aquadraht sagt:

      Wenn ich meine unmassgebliche Meinung beisteuern darf: Prinzipiell halte ich eine Burka oder einen Niqab (den mit ihr oft verwechselten Gesichtsschleier) im öffentlichen Raum nicht für anfechtbarer als einen Motorradhelm, eine Teufelsmaske, ein Weihnachtsmann-, Osterhasen- oder Donald-Duck-Kostüm, und auch nicht für geschmackvoller.

      Wer mit so etwas, egal mit welchem, unangemeldet in eine Bank kommt, dürfte einen Alarm auslösen (eine verschleierte Dame in Begleitung orientalischer Herren nicht notwendig, aber Rückfragen gäbe es).

      Nun ist eine Bank schon ausserhalb des öffentlichen Raums, ebenso ein Laden, ein Gericht, eine Behörde oder eine Wohnung. Hier gilt Hausrecht. Und das kann ohne jegliche Gesetzesänderung bedeuten: „In dem Aufzug kommst Du/kommen Sie hier nicht rein“, und eine Zuwiderhandlung wäre Hausfriedensbruch.

      Etwas komplexer sind Fragen wie: „Darf man mit Kopftuch, Turban, Kippa, Nonnenoutfit oder was immer unterrichten, Recht sprechen, Teil einer Polizeieinheit sein (die Schotten erlauben das Kopftuch, die Briten den Turban schon immer)“?

      Grundsätzlich finde ich die Klamotten nicht so wichtig wie das Bekenntnis zur Verfassung und zur Toleranz. Und die sollte nicht nur von einer Seite kommen. Wo man so hysterisch wird, die Bademode vorzuschreiben und mit Polizeigewalt durchzusetzen, ist man auf die Propaganda von Islamisten und AfD/Pegida hereingefallen.

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