Forever young oder: Wo der Souverän bloß stört

Daß ein Journalist die Contenance verliert: kommt vor. Daß ihm die Intelligenz abhanden kommt: dto. Kommt beides abhanden (oder fehlt von vornherein), nicht hingegen Schreibstift oder Tastatur, dann: stammt der Artikel mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Feder von – ja, wen nehmen wir denn? Keine leichte Frage, denn die Konkurrenz im Wettrennen der Galoppins, der Bläser und Pfeifer ist stark. Meine Nominierung für einen Posten hoch auf dem Siegertreppchen wäre aktuell Thomas Gutschker c/o FAZ. Der belehrt den Leser, daß Volksentscheide der politischen Kultur schaden, und legt ihm zudem und allen Ernstes nahe, froh zu sein, nicht in den Niederlanden zu wohnen. Fragt man sich spätestens an dieser Stelle, ob man richtig gelesen und wer dem Bengel überhaupt das Wort erteilt und was derlei in der FAZ zu suchen hat, erfährt man: Seinen ersten Artikel für diese Zeitung, so die FAZ, schrieb er 1989 im Alter von 18 Jahren, damals noch Schüler, was heute uU nicht mehr der Fall ist, die Qualität seines Artikels vom 10.04.2016 allerdings unberührt läßt.

Das mag die feixende Publikumsbeschimpfung erklären, die den Abstimmenden zum Vorwurf macht, über die Zollsätze für falsche Bärte und Perlhühner im Warenaustausch zwischen EU und Ukraine nicht Bescheid wissen. Herr Gutschker weiß es seit kurzem, und weil er nun was weiß, was du nicht weißt, hält er sich prompt für informiert.

Welche Gründe die Abstimmenden bewogen haben, mag dahinstehen. Daß Volksabstimmungen nicht nur in Holland weder Regierung noch Gesetzgebung binden, ist dem forschen Schreiber entgangen, ebenso Art. 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, dessen Lektüre ihm hätte offenbaren können, daß die Staatsgewalt vom Volke unter anderem „in Wahlen und Abstimmungen“ ausgeübt wird. Gegenüber der Legislative, die in den Händen der Parlamente liegt, spielen sog. plebiszitäre Elemente eine weit geringere Rolle. Deswegen sind sie nicht etwa ein Ausweis minderer gedanklicher Befähigung und ungenügender Erfassung eines Sachverhaltes.

Letzteres gilt eher für den Artikel, den Herr Gutschker zu verantworten hat. Ihm scheint, dies im zu vermutenden Gegensatz zu vielen, die sich an dem holländischen Referendum beteiligten, Artikel 7 des Abkommens entgangen, das mir z. Zt. nur in englischer Sprache vorliegt. Im Wortlaut:

Article 7

Foreign and security policy

  1. The Parties shall intensify their dialogue and cooperation and promote gradual convergence in the area of foreign and security policy, including the Common Security and Defence Policy (CSDP)…

Gabriele Krone-Schmalz, langjährige ARD-Korrespondentin in Moskau, äußerte schon vor zwei Jahren in einem bemerkenswerten Interview (zu finden hier), die meisten ihrer Kollegen aus dem journalistischen Fach hätten den Text des Abkommens wohl nicht zur Kenntnis genommen, anderenfalls wäre ihnen dessen Artikel 7 aufgefallen, der eine Vertiefung und schrittweise Konvergenz im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich gemeinsamer Verteidigungspolitik vorsehe.

„Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik von Ukraine und EU“: Eine derartige Abmachung und ihr Vollzug, so die mit Grund renommierte Journalistin, „würde die Ukraine zerreißen.“

Auf diesem Weg ist die Ukraine schon ein ordentliches Stück vorangekommen, und die mit gleißender Tonlage und dem Behagen des Wissenden vorgetragene Beschwörung der „Europäer“ auf dem Maydan, die der damalige deutsche Außenminister (!) Guido Westerwelle† im Dezember 2013 eben dort von sich gab, war daran gewiß nicht unbeteiligt. Gleiches gilt u.a. für den derzeitigen BuPrä Joachim Gauck und die gravitätisch verbindliche Gangart, die er unlängst und Arm in Arm mit dem Oligarchen Poroschenko an den Tag legte, dem Repräsentanten einer Kaste, die man in der Diktion Thomas Manns als reich gewordenen Pöbel bezeichnen darf.

Und nicht nur die Sachwalter des unmittelbar Politischen arbeiten an der Spaltung der Ukraine und ihrer Auslieferung an die freieste aller Marktwirtschaften. Zu den weiteren Mitwirkenden aus dem Chor der Statisten gehört auch der und jener Bankert, der es bis auf die Lohnliste und in die Spalten der FAZ geschafft hat.

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