Ende der siebziger Jahre hatte der Bundesgerichtshof die Verurteilung einer Angeklagten wegen Totschlages in einem sog. minderschweren Fall aufgehoben. Diese hatte einen Betrag iHv DM 200, den sie als eiserne Reserve zur Haushaltsführung beiseite gelegt hatte, gegen den Zugriff ihres alkoholkranken und gewalttätigen Ehemannes verteidigt, dies unter Einsatz eines Messers, der sich für den Angreifer tödlich ausgewirkt hatte. Während das Landgericht die Situation der Bedrohten zwar gesehen, allerdings nicht auf eine Notwehrsituation erkannt und im übrigen auch das ganze Elend der Familienverhältnisse in die Strafzumessung einbezogen hatte (zwei Jahre Haft, ausgesetzt zur Bewährung), sah der BGH nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht eine Notwehrsituation und hob das Urteil auf; die Angeklagte wurde freigesprochen.
Diese Rechtsprechung des BGH, die er seither in einer Vielzahl von Urteilen fortgeschrieben hat, ist von Bedeutung mit Blick auf die von Presse und Rundfunk berichteten Manieren einer Horde von Kriminellen, die vor dem Hauptbahnhof in Köln Frauen umringten, sie sexuell attackierten und beraubten. Angenommen, eine in dieser Weise attackierte Frau würde sich mit einer Schußwaffe zur Wehr setzen, worauf ihr(e) Peiniger schwer oder auch tödlich verletzt würde(n) – gefährliche, ggf. schwere Körperverletzung? Totschlag? Rein tatbestandlich: ja. Notwehr? Ebenfalls: ja, ergo keine Verurteilung.
Das Recht der Notwehr steht nicht nur der rechtswidrig angegriffenen Person zu, sondern auch jedem Dritten, man spricht insoweit von Nothilfe. MaW: Hilfeleistung zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffes ist ebenfalls straffrei, selbst wenn sie schwerwiegende bis hin zu tödlichen Folgen für den oder die Angreifer hat. Eine Überschreitung, eine Unverhältnismäßigkeit der gebotenen Verteidigung, ein sog. Notwehrexzeß, ist nur anzunehmen, wenn der abzuwehrende Angriff sich im Bagatellbereich hält und sich auf bloßen Unfug beschränkt. Davon kann bei den Kölner Vorgängen nicht die Rede sein .
Sollte man der Täter habhaft werden, sollten die Strafmaße empfindlich ausfallen. An Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht zu denken. Das gilt für den Fall, daß ein Täter zunächst erfolgreich agiert hat und erst später gestellt, angeklagt und verurteilt wird. Dazu kommt es regelmäßig nicht, wenn man ihm seine Manieren in flagranti und notfalls (notfalls!) mit der Schußwaffe austreibt. Dies geschähe wie gesagt im Einklang mit dem geltenden Recht. Was – der Vollständigkeit halber sei es erwähnt – keine Empfehlung zum Erwerb und Gebrauch von Schußwaffen sein soll.
Auf den Nachdenkseiten schreibt Jens Berger über die Vorgänge und die Reaktion der Öffentlichkeit darauf. Zutreffend ist sicherlich, daß die besondere Empörung womöglich aus dem Umstand rührt, daß es sich bei den Tätern um Nordafrikaner handeln soll (mittlerweile ist auch von Albanern, Syrer und Irakern die Rede) und bei ihren Opfern nicht um Angehörige der sog. Unterschicht. Letztere, so Jens Berger, fänden gewohn-heitsmäßig weit weniger Anteilnahme.
Mißverständlich scheint mir seine Bemerkung, das deutsche Strafrecht schließe eine „Kollektivbestrafung“ aus, weshalb die „Verdächtigen“ (Anführungsstriche im Originaltext; wieso eigentlich?) in der Regel straffrei ausgingen, soweit das Opfer den oder die Täter nicht zweifelsfrei identifizieren könne. So richtig es ist, daß individuelle Tatbeiträge individuell zugeordnet werden müssen, so wenig ist daraus zu folgern, daß nur der eigenhändig agierende Dieb oder Räuber als Täter verurteilt werden kann. Haben mehrere auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatvorsatzes das Opfer umringt (Stichwort „Antanzen“), so sind sie Mittäter, mindest Gehilfen beim Raub, ggf. der sexuellen Belästigung samt Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung. Eigenhändige Tatbegehung ist weder für die Beihilfe noch für die Täterschaft Voraussetzung.
Jens Berger behauptet, bestimmte Fragen würden „nicht gestellt“, zB warum „einige wenige Migranten ihr Leben nicht gemeistert bekommen und in die Organisierte Kriminalität abrutschen“. Mindestens ebenso naheliegend scheint die Frage: Wieso ist die Alternative zum „gemeisterten“ Leben eigentlich die „organisierte Kriminalität“? Gibt es ein organisiertes „Abrutschen“? Ist fehlende Meisterschaft beim Leben ein Strafmilderungsgrund für eine kriminelle Mischpoke? Sollte die Hilfestellung bei der Erlangung von Gesellenbrief und Meistergrad im Ausbildungsberuf Lebensführung nicht auch in der klarstellenden Reaktion auf dreiste, auf kriminelle Manieren bestehen? Sollte den Abkömmlingen eines verblödeten Patriarchates nicht doch eine ernste väterliche Strenge zuteil werden, am besten in Gestalt spürbarer Strafmaße?
Ps: Eben lese ich, einem Einsatzbericht der Kölner Polizei zufolge seien Beamte, die Hilferufen nachgehen wollten, daran durch „enge Personenringe“ gehindert worden. Das überrascht angesichts der energischen Einsatzbereitschaft, die Polizeikräfte bei anderen Anlässen an den Tag legen, zB in Gestalt „enger Personenringe“ alias Polizeikessel oder auch des entschiedenen Schlagstockeinsatzes, eines herzhaften „Knüppel frei!“, wenn sich sog. linke Gegendemonstranten den gestiefelten und kahlgeschorenen Tretern der Nazi-Szene in den Weg stellen. Können zehn oder zwölf Polizisten einen „engen Personenring“ nicht öffnen? Was ist mit Tränengas und Schlagstock? Wo bleibt der sog. Taser? Was ist mit Warnschüssen, denen notfalls (notfalls!) auch gezielte Schüsse zu folgen hätten? Die gebotene Güterabwägung zwischen der körperlichen Integrität und der Würde einer attackierten Frau einerseits und der körperlichen Integrität einer Meute andererseits, die im Begriff ist, ihr Gewalt anzutun, hat zugunsten des bedrohten Opfers zu erfolgen. Selbst ein gewalttätiger und geiler Pöbel, hervorgekrochen aus dieser oder jener Kloake (solche gibt es in Syrien oder Libyen ebenso wie in Sachsen), dürfte einer Gefährderansprache auf Hardwarebasis unmittelbar zugänglich sein. Zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter kann ihr Einsatz notwendig, mithin gerechtfertigt sein.
Eine Schwäche von WordPress ist, dass man seine Schreibfehler nicht korrigieren kann. Daher Errata:
Im 2. Absatz
statt: „eine möglicherweise eine“ „möglicherweise eine“
im 6. Absatz
statt: „die Flüchtling“ „die Flüchtlinge“
im 8. Absatz
statt: „weil nicht etwas “ „weil nicht nur etwas“
Wenn ich hier ein paar Anmerkungen machen darf:
Die Kritik an einigen Punkten des Beitrags von Jens Berger ist jedenfalls, was sein Missverständnis des Täterbegriffs angeht, vollauf zutreffend. Hier hat Jens Berger kräftig danebengelangt, und in Kommentaren auf seinem Blog spiegelfechter.com ist ihm das auch in Kommentaren mitgeteilt worden, unter anderem von mir.
Bezüglich der „organisierten Kriminalität“ scheint mir die Kritik etwas überdehnt, auch wenn man die Formulierung bemängeln kann. Es ist nicht sicher, aber auch nicht auszuschliessen und nicht einmal unwahrscheinlich, dass hinter den Antänzerbanden organisierte Strukturen stehen, die die Täter nur als Fussvolk einsetzen. Es kann sich auch um ordinäre Bandenkriminalität handeln, also eine möglicherweise eine kriminelle Vereinigung oder umgangssprachlich eine Strassengang.
Und auf beides trifft Jens Bergers Formulierung des „Abrutschens“ zu: die meist jugendlichen Straftäter, die in solche Umstände geraten, sind gesellschaftlich alles andere als ein neuartiges Phänomen. Sie rekrutieren sich in allen modernen Gesellschaften aus dem Teil der Unterschichten, der ein Stück weit aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang herausgefallen ist, als Dropout oder in den unverblümten Worten von Marx als Lumpenproletariat.
Das heisst nicht, dass irgendeine der Handlungen solcher Menschen zu romantisieren, kleinzureden oder zu rechtfertigen ist, wo sie in Rechte anderer Menschen eingreifen oder diese massiv verletzen, wie das bei Bandendiebstählen und Raubüberfällen ebenso der Fall ist wie bei sexuellen Übergriffen.
Ich sehe aber auch nicht, dass Jens Berger das auch nur ansatzweise täte. Vielmehr spricht er sich unmissverständlich für die konsequente Aufklärung der Straftaten und die Bestrafung der Täter aus. Er verwehrt sich nur gegen den „AUFSCHREI“ über die „Vorgänge am Kölner Bahnhof“, die noch in keiner Weise aufgeklärt sind.
Und hier empfinde ich den hiesigen Blogbeitrag als mangelhaft. Er nimmt ebenso als Tatsache, was bisher bestenfalls Tatvermutung oder Tatverdacht ist.
Der einzige derzeit vorliegende präzise Polizeibericht ist der Bericht der Bundespolizei. Dieser spricht für den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei im Bereich des Hauptbahnhofs einschliesslich des Vorplatzes (rechtlich 30m vom Bahngelände, das bedeutet 50-70m vom Gebäude) von 32 Strafanzeigen in der Sylvesternacht, bei denen 31 Tatverdächtige namhaft gemacht wurden. 2 Anzeigen betrafen sexuelle Übergriffe, Tatverdächtige konnten dabei nicht ermittelt werden. 11 der Tatverdächtigen waren Asylbewerber, 4 waren Syrer, viele der Tatverdächtigen stammten aus dem nordafrikanischen Raum, aber auch aus Serbien, und auch ein US-Bürger und 2 Deutsche waren dabei.
Das spricht erstmal nicht für „die Flüchtlingsflut besteigt die deutschen Frauen“, wie es jetzt bundesweit tönt, wobei mal die Flüchtling, mal der Islam, mal das Patriarchat als Schuldige feststehen, auf jeden Fall aber die teddybärwerfenden Gutmenschen, die all das erst möglich gemacht haben.
Was sich in der Sylvesternacht in Köln ereignet hat, ist nicht sicher. Sicher ist aber, dass die Kölner Polizei auf ganzer Linie versagt hat. Hier stimmen die Feststellungen uneingeschränkt. Seltsam erscheint mir, dass die gewiss nicht sentimental ausländerfreundlichen Polizisten vor Ort ausserstande waren, die Lage korrekt zu beurteilen.
Ich glaube durchaus, dass es aus der (nicht islamtypisch) besoffenen Menge Übergriffe gegen Frauen gegeben hat, und es sieht so aus, dass eine oder mehrere „Antänzergruppen“ aktiv waren und obendrein sexuell enthemmt agiert haben. In welchem Ausmass das der Fall war, kann nur eine sorgfältige Untersuchung zeigen. Die mittlerweile 200 Anzeigen geben auch Anlass zur Sorge, weil nicht etwas befremdlich erscheint, dass hunderte Frauen sexuell attackiert wurden und nur 2 den einleuchtenden Weg in den Bahnhof zur Wache der Bundespolizei (die im Unterschied zur Kölner Polizei ihre Arbeit gemacht zu haben scheint) gefunden haben. Zur Hilfeleistung und Anzeigenaufnahme sind die nämlich von Gesetzes wegen verpflichtet, auch wenn die Straftat ausserhalb ihrer örtlichen Zuständigkeit stattgefunden hat.
Es gibt also mehr offene Fragen als Antworten.
a^2
Besten Dank, aquadraht, für Deinen ebenso kritischen wie durchdachten Kommentar. Nach Niederschrift meiner Anmerkungen waren mir selbst Zweifel gekommen betr. ihre Tendenz. Mehr als nur eine salvatorische Klausel ist aber mE meine Anmerkung zu den Kloaken, denen ein gewisser Habitus entsteigt und die eben nicht nur in dieser oder jener Weltgegend fern der unseren existieren, sondern auch in – zB – Sachsen und anderen Gegenden unserer teuren Heimat. Wer meint, sexistisches Gegröhle und handgreifliche Distanzlosigkeiten seien Importware, war noch nie auf einer deutschen Kirmes. Keinesfalls bin ich der Ansicht oder befürchte – und meine, das auch nicht so ausgedrückt oder angedeutet zu haben – daß eine „Flüchtlingsflut deutsche Frauen besteigt“. Ich erinnere angesichts der derzeit häufigen Termini von Flut, Welle oder Schwemme an das Diktum von Dieter Hildebrandt; er machte für diesen Sprachgebrauch ein von ihm so genanntes Bettnässersyndrom verantwortlich, das derlei angstlüsterne Phantasien hervorbringe. Inwieweit signifikante Korrelationen bestehen zwischen bestimmten ethnischen Zugehörigkeiten und den Bedingungen, unter denen ihre Angehörigen sozialisiert worden sind (und die von Koalitionen der Willigen ihre destruktiven Komponenten maßgeblich erfahren haben dürften) einerseits und gelinde gesagt unzivilen und vormodernen Verhaltensweisen andererseits, bedarf der vertieften Untersuchung. Insofern stimme ich Deiner Schlußfolgerung zu, daß es derzeit mehr Fragen als Antworten gibt.