Bertolt Brecht war sich über die Herkunft aller Staatsgewalt im Klaren: sie gehe vom Volke aus. Seine Frage, wohin sie gehe, ist nunmehr auch beantwortet: in einen Leseraum im Deutschen Bundestag zu Berlin, wo sie ihre Befehle entgegennimmt. Dort dürfen, wie aus der Presse bekannt, Abgeordnete des Deutschen Bundestages, letzterer ist die gewählte Vertretungskörperschaft des Souveräns, dh des Volkes, an zwei Stunden pro Woche ausgewählte Dokumente zu den Verhandlungen über das sog. TTIP einsehen, was sie mindestens eine Woche vorher zu beantragen haben. Wie ebf. bekannt, sind Mobiltelefone abzugeben, handschriftliche Notizen sind erlaubt, nicht hingegen die Fertigung von Kopien, ebensowenig dürfen die Abgeordneten mit Dritten erörtern, was sie gelesen und mehr oder weniger verstanden haben.
Offenbar kommen in den Verhandlungen zwischen EU und USA über Handelsbedingungen und sog. Investitionsschutz Standpunkte, Absichten und Wünsche zur Sprache, mit denen man sich vor einer demokratischen Öffentlichkeit nicht gut sehen lassen kann.
Das Abkommen soll unter anderem die nationalen Gerichte in allen Streitigkeiten betr. sog. Investments samt jeder Art von Rechten, einschließlich Aktien, Anteilen an Unternehmen, Rechten am geistigen Eigentum, beweglichen Gegenständen und Forderungen (Kapitel II, Definition x2) für unzuständig erklären und durch Spruchkörper ersetzen, deren Fachverstand und Unabhängigkeit zweifelhaft sind (Quelle: Deutscher Richterbund). Warum nationale Gerichte außerstande sein sollen, entsprechende Streitigkeiten zu verhandeln und zu entscheiden, bleibt unerläutert (Dt. Richterbund aaO).
Interessant der Auftritt des Bundesministers für Wirtschaft und Vizekanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Sigmar Gabriel, anläßlich der „Einweihung“ des Klassenzimmers; zwei oder drei Finger der einen Hand hielt er mit der anderen vorm Bauch umfaßt, eine Geste, die ebenso wie sein schiefes Grinsen Verlegenheit zum Ausdruck bringt. Zu der hatte er allen Grund. Auf die Idee, das angemaßte Diktat von EU-Kommission und ihren amerikanischen Kumpanen Verhandlungspartnern mit dem Götz-Zitat zu beantworten, kam er nicht. Leinenzwang für Besucher besteht bis auf weiteres nicht. Ein knappes „Sitz!“ genügt. Sigmar Gabriel pariert.
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ps: Die Dimension der Unterwürfigkeit unter den knappen Pfiff interessierter Kreise schildert ein wohlrecherchierter Beitrag auf Deutschlandfunk vom 26.04.2016, dem man dafür dankbar sein muß und auf den die Nachdenkseiten hinweisen.