Hintermann Scholz 2.0

Was ich vor lauter Prospekthaftung, Berufung, Revision und Zurückverweisung samt Hintermann als Rechtsbegriff nebst Klagerücknahme und Kostenregelung ganz vergessen hatte: nach denjenigen Außengrenzen der EU zu fragen, an denen es nach Ansicht von Prof. Dr. Scholz sicherheitspolitisch ganz besonders akut zugeht, und das immer doller. Meint er vielleicht Norwegen? Immerhin ist es von dort,  jedenfalls im nördlichen Norwegen, nimmer weit bis Nowaja Semlja, was unter uns gesagt eisiges russisches Territorium ist, auf dem es von Eisbären, Wodkatrinkern und Nuklearmüll nur so wimmeln soll. Oder käme vielleicht Südostpolen in Betracht? Wegen der Nähe zur Ukraine? Oder Italien? Wegen der libyschen Schlepper, die in ihren trostlosen Vehikeln tausende Menschen auf große Fahrt (und viele von ihnen in den Tod) schicken?

Indes: sind Polen und Italien nicht NATO-Mitglieder? Wäre ein Angriff auf ihr Territorium durch Nicht-Natoländer nicht der klassische Bündnisfall? Wozu bräuchte es gleichwohl eine EU-Armee, komponiert aus den Streitkräften auch derjenigen EU-Länder, die zugleich Nato-Mitglieder sind? Was, wenn ein Nato-Land ein Nato-Land attackiert, etwa die Türkei eine Million Flüchtlinge über die Meerenge vor der griechischen Insel Lesbos scheucht, mithin von Territorium zu Territorium, von Nato zu Nato? Fällt dann die EU über die Nato her? Oder wie man in Nordhessen sagt: Gehen die sich dann an die Hälse? Und was soll die Abschaffung des Parlamentsvorbehaltes im EU-Kriegsfall, wenn er beim Nato-Bündnisfall fortbesteht? Ruft die EU zu den Waffen, hält sich der Bundestag raus, beim Nato-Fall ist er wieder dabei. Das soll einer verstehen.

Vielleicht versteht es Prof. Scholz? Sicher sein kann man nicht: denn wenn auch die paradierenden Panzer auf ostpolnischem Laufsteg die Armada russischer Pendants auf Abstand hielten und halten, bleibt immer noch die südpolnische Grenze zur Ukraine. Aber polnisches Territorium, das sich westlich davon erstreckt, ist damit zugleich Schutzgut der Nato. Verflixt nochmal. Wieder nix.

Aber da fällt mir – je nun, manchmal dauert es halt ein wenig – jäh ein: Sicherheitsbelange sind nicht nur unmittelbar an den Außengrenzen, gleich draußen vor der Tür gewissermaßen, akut betroffen. Ursachen können in der Ferne liegen, ihre Folgen hingegen in der Nähe. Europas Sicherheit und Freiheit können von Afghanistan aus bedroht sein, wie wir dank Hans-Peter Struck† wissen, oder auch vom Irak und von Syrien (Iran nicht vergessen!), dazu kommen kurdische Gebiete und das, was einmal Libyen war, und, wenn wir erstmal richtig durchgucken, auch afrikanische Fehlbildungen in Sachen Staatlichkeit mit allen Folgen für die Migrationsbereitschaft ihrer geschundenen Bewohner samt günstiger Bedingungen für mordende und sengende Haufen.

Ob Prof. Scholz das meint? Und ist Bedrohung, egal wie akut, allein militärischer Natur, geschieht sie allein mit unmittelbar militärischen Mitteln? Uralter Witz: Krieg zwischen Sowjetunion und VR China. Am ersten Tag macht die SU zehn Millionen Gefangene, am zweiten zwanzig und so weiter, bis am vierten oder fünften Tag Mao zum Telefon greift und bei Breschnew anfragt: Wie siehts aus, Leonid? Noch mehr gefällig?

Soweit solls nicht kommen, um bei der kleinen Witzelei zu bleiben, auch wenn es anstelle von Kriegsgefangenen zivile Flüchtlinge regnet. Da sei – nun wird’s mir klar – die europäische Wehrmacht davor. Und die kämpft nicht nur gleich hinter den Außengrenzen, sondern weit außerhalb davon. Wehret den Anfängen, wo immer, s. oben, die sein mögen. Und findet die Abwehr in einiger und sicherer (?) Entfernung statt, dringt der Pestgestank, den verwesende und keinem Parlaments- noch sonst irgendeinem Vorbehalt mehr unterliegende Kadaver verursachen, gewiß nicht bis in die gediegene Kanzleietage, in deren Räumen ein wohlversorgter alter Mann, gerichtlich bestätigt als Hintermann, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seine agitierten Wachträume andient, deren Duftnote keiner Kommentierung bedarf. Die FAZ hat übrigens davon abgesehen, Scholzens Gesichte adäquat zu illustrieren. Ich hole das nach, sozusagen im Wege der Ersatzvornahme:
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Rupert Scholz (nicht im Bild), Bundesminister der Verteidigung aD, möchte europäisches Kriegführen erleichtern (die Abb.  zeigt Minenopfer während des Ersten Weltkrieges an der sog. Isonzo-Front – Wiedergabe mit frdl. Genehmigung der Salzburger Wehrgeschichtlichen Rainerforschung)

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