Offener Brief an einen Diplomaten

 

Seine Exzellenz

Herrn

Botschafter der

Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland

Wladimir M. Grinin

 

Betr. : Gewaltexzesse während der Fußball-EM und die Kommentare seitens des Vizepräsidenten des Russischen Parlamentes Herrn Igor Lebedew

Sehr geehrter Herr Botschafter,

mit Interesse und einer beständigen Sympathie verfolge ich seit jeher – im Rahmen meiner Erkenntnismöglichkeiten, versteht sich – den Weg, den Ihr in so vielfältiger Hinsicht großes Land in Geschichte und Gegenwart beschreitet, und gerade auch in jüngerer Zeit sehe ich oft und oft Anlaß, es gegen unterschiedliche Vorwürfe in Schutz zu nehmen.

Anlaß hierzu ergibt sich in privaten Gesprächen, sei es mit Freunden und Bekannten, sei es gegenüber Menschen, die sich in einfältigen und allzu oft auch schäbigen und retardierten Äußerungen ebenso laut wie undurchdacht ergehen. Darüberhinaus bemühe ich mich mit dem inzwischen allgemein verfügbaren Mittel des sog. Blog, meine Sicht gewisser Sachverhalte auch öffentlich darzulegen. Per Leserbrief habe ich mich zudem verschiedentlich zu belehrenden Anmaßungen kritisch geäußert, die Politiker und Repräsentanten meines Landes sich gegenüber dem Ihren erlauben.

Dieses Ansinnen, nämlich eine faire Sichtweise auf Rußland und seine Menschen nahezulegen und der allzu oft entgleisenden öffentlichen Diskussion etwas Besonnenheit entgegenzustellen, wird durch jüngste Vorkommnisse nicht einfacher gemacht, um es zurückhaltend zu formulieren.

Ich meine die Äußerungen des Stellvertretenden Präsidenten des Parlamentes Ihres Landes, Herrn Igor Lebedew, mit denen er seit einigen Tagen glaubhaft und wörtlich in der Presse zitiert wird.

Er meinte, die widerwärtigen und brutalen Exzesse einer Anzahl russischer Besucher der Fußball-Europameisterschaft – von Fußballfans würde ich angesichts ihres Auftretens nicht sprechen wollen – lobend kommentieren zu müssen:

Ich kann nichts Schlimmes an kämpfenden Fans finden. Im Gegenteil, gut gemacht Jungs. Weiter so!

Daß Brutalität, Feigheit und Niedertracht nicht etwa allein bei russischen Hooligans anzutreffen sind, muß ich nicht betonen. Bemerkenswert ist freilich der Umstand, daß im konkreten Fall ein Mann in herausgehobener, in repräsentativer und verantwortlicher Position einem bösartigen Pöbel propagandistischen Beistand leistet.

Sicherlich haben auch Sie, Herr Botschafter, die Vorgänge vor Augen, zu deren Fortsetzung Herr Lebedew aufruft. Und vielleicht haben auch Sie schon den Nachrichten entnommen, daß sein forsches „Weiter so!“, gerichtet an die Totmacher und Treter, an die bösartigsten Schlägervisagen, erfolgreich war: in Köln haben solche ihren Heldenmut an einer Gruppe spanischer Besucher der Stadt erprobt und unter anderem einem von ihnen, den sie zuvor niedergeschlagen hatten, ins Gesicht getreten.

Sie werden mir zustimmen, sehr geehrter Herr Botschafter, daß man derlei Täter nicht nur als Kretins bezeichnen darf, als wahrhaftige Ausgeburten einer Kloake, sondern auch als das, was sie nicht minder sind: als faschistische Totschläger, deren man sich mit allen legalen Machtmitteln erwehren sollte.

Dies mag Herr Lebedew – ich möchte kaum glauben, daß ein Mann seines Formates Vizepräsident des russischen Parlamentes ist – bedenken, wenn er das nächste Mal der Versuchung erliegt, sich in dieses oder jenes Mikrofon zu erleichtern.

Und falls er das gewohnheitsmäßige Zusammenschlagen und -treten anderer Menschen als Ausweis authentischer Männlichkeit begreift, so mag er sich von einem der deutschen wie der russischen Sprache mächtigen Zeitgenossen eine Äußerung übersetzen lassen, die mW von Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) stammt und die ich mir im Wortlaut zu zitieren erlaube:

„Das einzige, was männlich an ihm war, konnte er aus Gründen des Anstandes nicht sehen lassen.“

Ich verbleibe mit dem Ausdruck meiner tief empfundenen Hochachtung und mit meinen besten Wünschen für Sie, Herr Botschafter, und für die Mitarbeiter Ihres Hauses –

Ihr

Michael Vorwerk

 

 

 

 

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