Tanzgirl vermißt Mumm

Es wäre gewiß ungerecht, Herrn Christian Geinitz´ Gewerbe auch nur von ferne in die Nähe jener Dienstleistungen rücken zu wollen, die weiland in der austro-ungarischen Tagespresse, etwa dem „Prager Tagblatt“, unter der Rubrik „Unterricht“ annonciert wurden, zB mit den Worten „Junge Tänzerin erteilt Gymnastikunterricht„. Eine ferne Parallele zum Tun der jungen Inserentinnen, oder sagen wir besser: eine ferne Analogie mag zulässig sein insofern, als der Herr Geinitz seine gelegentlichen Berichte aus Österreich fortgesetzt handelnd als journalistische Arbeiten ausgibt.

Prager Tagblatt, Ausgabe Wien, ca 1936

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In einem seiner jüngsten Elaborate vermißt er einen gewissen „Mumm in Wien“ und beginnt seinen als Zeitungsartikel verkleideten Werbezettel mit einer Falschmeldung: „Österreich will Firmen belohnen, die Inländer einstellen.“ Daß in seinem eigenen Elaborat alsdann das Gegenteil steht (s. unten), fällt dem charmierten Ahnungslosen nicht weiter auf. Ihm passiert sowas öfter. Vor knapp eineinhalb Jahren zB hatte er sich mit Skandalmeldungen zum österr. Sozialsystem blamiert und offenbart, daß ihm nicht einmal dessen Grundzüge, bspw. die verschiedenen Formen des Rentenbezuges einschließlich ihrer Voraussetzungen, bekannt sind.

Diesmal ist ein Vorhaben der österr. Regierung dran, das die Beschäftigungslage verbessern soll. Unternehmen bekommen für neu eingestellte Mitarbeiter, Österreicher wie Ausländer, in den ersten drei Jahren der Beschäftigung die Hälfte der sog. Sozialabgaben erstattet. Ausgenommen hiervon sind Arbeitnehmer, die erst vor kurzem aus dem Ausland zugezogen sind. Erste Frage eines interessierten Lesers: Warum steht das Gegenteil davon im Untertitel des kleinen Textes? Ferner: Was sind „die Sozialabgaben“? Bekanntlich bestehen sie aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen. Bekommt der Arbeitgeber seinen Anteil komplett oder zur Hälfte erstattet? Und: was, wenn das Arbeitsverhältnis nicht volle drei Jahre dauert? Sinkt dann die Subventionssumme pro rata temporis? Oder wird, je nachdem, weshalb das Arbeitsverhältnis vorzeitig sein Ende gefunden hat, der gesamte bis dato gezahlte Subventionsbetrag zur Rückzahlung fällig? Herr G. hält sich von derlei Details zum Sachverhalt tunlichst fern, begreint eine „verquaste Rhetorik“ (und gleicht dabei dem Ochsen, der den Esel Hornvieh schilt) und offenbart seine Mission: Arbeit sei „generell zu teuer in Österreich.“ Hatte man es doch geahnt.

Tja. Die vielversprechenden jungen Leute, die einmal wöchentlich in der FAZ auf der Seite „Jugend schreibt“ ihre ersten und in aller Regel guten bis sehr guten journalistischen Arbeiten präsentieren, würden sich hüten, derlei Huldigungsdepeschen abzuliefern. Sie verstehen Journalismus als fachliche Herausforderung, deren Bewältigung Recherche und Seriosität voraussetzt. Sie nehmen die Grundanforderungen des journalistischen Metiers ernst und sind ihnen gewachsen, dies im Unterschied zu Herrn Geinitz. Dessen Metier ist nicht die Recherche, sondern – bitte rein metaphorisch – der Gymnastikunterricht.

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